% @book{bg_khm_1819-1, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {E}rster {B}and. {M}it zwei {K}upfern. % {Z}weite vermehrte und verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1819", % volume = "1", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Tanimoto am 28. November 2002 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 04. Dezember 2002 % %%% Besonderheiten f"ur den Fraktursatz: %% "| zur Vermeidung von Ligaturen; %% (Eingabe: e.g. auf"|fressen und Hof"|leute %% statt auffressen und Hofleute) %% "| auch f"ur das sogenannte runde s -- oder Schluss s -- im %% Kompositum (ansonsten wird dieses durch LaTeX -- und khm.sty -- %% von dem langen s richtig unterschieden und gesetzt); %% (Eingabe: e.g. Aus"|gang statt Ausgang) %% {} f"ur das runde s au"ser Komposita; %% (Eingabe: e.g. s{}' statt s') %% {\ck} f"ur ,,ck``, das bei der Silbentrennung am Zeilenende %% in die Form ,,k-k`` umgewandelt werden soll. % % Der erste M"archentext in jedem Band (i.e. ,,Der Froschk"onig % oder der eiserne Heinrich`` und ,,Der Arme und der Reiche``) % und der erste Kinderlegendentext (i.e. ,,Der heilige Joseph % im Walde``) sind mit einem Versalsatz geschm"uckt im Orginal. % Bei all den anderen Texten ist jede erste Zeile einger"uckt. % \maerchentitel{Rapunzel} % 12. %S.66 % Rapunzel. %S.66 Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten sich schon %S.66 lange ein Kind gew"unscht und nie eins bekommen, endlich aber ward %S.66 die Frau guter Hoffnung. Diese Leute hatten in ihrem Hinterhause %S.66 ein kleines Fenster, daraus konnten sie in den Garten einer Zauberin %S.66 sehen, der voll Blumen und Kr"autern stand, allerlei Art, keiner %S.66 aber durfte wagen, hineinzugehen. Eines Tages stand die %S.66 Frau an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie wundersch"one %S.66 Rapunzeln auf einem Beet und wurde l"ustern darnach, und wu"ste %S.66 doch, da"s sie keine davon bekommen konnte, da"s sie ganz abfiel und %S.66 elend wurde. Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursach; %S.66 {\oq}ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm %S.66 Haus zu essen kriege, so mu"s ich sterben.{\cq} Der Mann, welcher %S.66 sie gar lieb hatte, dachte, es mag kosten was es will, so willst %S.66 du ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends "uber die hohe Mauer %S.66 und stach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln aus, die er seiner %S.66 Frau brachte. Die Frau machte sich sogleich Salat daraus, und a"s sie %S.66 in vollem Hei"shunger auf. Sie hatten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, %S.66 da"s sie den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam. %S.66 Der Mann sah wohl, da"s keine Ruh w"are, also stieg er noch einmal %S.66 in den Garten, allein er erschrack gewaltig, als die Zauberin darin %S.66 stand und ihn heftig schalt, da"s er es wage in ihren Garten zu kommen %S.67 und daraus zu stehlen. Er entschuldigte sich, so gut er konnte, %S.67 mit dem Gel"usten seiner Frau, und wie gef"ahrlich es sey, ihr jetzt %S.67 etwas abzuschlagen, endlich sprach die Zauberin: {\oq}ich will mich zufrieden %S.67 geben und dir selbst gestatten Rapunzeln mitzunehmen, so %S.67 viel du willst, wofern du mir das Kind geben wirst, das deine Frau %S.67 gebiert.{\cq} In der Angst sagte der Mann alles zu, und als die Frau %S.67 in Wochen kam, erschien die Zauberin sogleich, nannte das kleine %S.67 M"adchen \emph{Rapunzel} und nahm es mit sich fort. %S.67 Dieses Rapunzel wurde das sch"onste Kind unter der Sonne, %S.67 wie es aber zw"olf Jahr alt war, so schlo"s es die Zauberin in einen %S.67 hohen hohen Thurm, der hatte weder Th"ur noch Treppe, nur blo"s %S.67 ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn nun die Zauberin %S.67 hinein wollte, so stand sie unten und rief: %S.67 \begin{verse} {\oq}Rapunzel, Rapunzel! \\ %S.67 la"s mir dein Haar herunter.{\cq} %S.67 \end{verse} Rapunzel hatte aber pr"achtige lange Haare, fein wie gesponnen %S.67 Gold, und wenn die Zauberin so rief, so band sie ihre Z"opfe los, %S.67 wi{\ck}elte sie oben um einen Fensterhaken und dann fielen die %S.67 Haare zwanzig Ellen tief hinunter und die Zauberin stieg daran %S.67 hinauf. %S.67 Eines Tages kam nun ein junger K"onigs"|sohn durch den Wald, %S.67 wo der Thurm stand, sah das sch"one Rapunzel oben am Fenster stehen %S.67 und h"orte sie mit so s"u"ser Stimme singen, da"s er sich ganz in %S.67 sie verliebte. Da aber keine Th"ure im Thurm war und keine Leiter %S.67 so hoch reichen konnte, so gerieth er in Verzweiflung; doch ging %S.67 % E 2 %S.67 er alle Tage in den Wald hin, bis er einstmals die Zauberin kommen %S.68 sah, die sprach: %S.68 \begin{verse} {\oq}Rapunzel, Rapunzel! \\ %S.68 la"s dein Haar herunter.{\cq} %S.68 \end{verse} Darauf sah er wohl, auf welcher Leiter man in den Thurm kommen %S.68 konnte. Er hatte sich aber die Worte wohl gemerkt, die %S.68 man sprechen mu"ste, und des andern Tages, als es dunkel war, %S.68 ging er an den Thurm und sprach hinauf: %S.68 \begin{verse} Rapunzel, Rapunzel, \\ %S.68 la"s dein Haar herunter! %S.68 \end{verse} da lie"s sie die Haare los, und wie sie unten waren, machte er sich %S.68 daran fest und wurde hinaufgezogen. %S.68 Rapunzel erschrack nun anfangs, bald aber gefiel ihr der junge %S.68 K"onig so gut, da"s sie mit ihm verabredete, er solle alle Tage kommen %S.68 und hinaufgezogen werden. So lebten sie lustig und in Freuden %S.68 eine geraume Zeit, und hatten sich herzlich lieb, wie Mann und %S.68 Frau. Die Zauberin aber kam nicht dahinter, bis eines Tages %S.68 das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: sag' sie mir doch Frau Gothel, %S.68 sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen als der junge K"onig.{\cq} %S.68 Ach du gottloses Kind, sprach die Zauberin, was mu"s ich %S.68 von dir h"oren, und sie merkte gleich, da"s sie betrogen w"are, und %S.68 war ganz aufgebracht. Da nahm sie die sch"onen Haare Rapunzels, %S.68 schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere %S.68 mit der rechten und ritsch, ritsch, waren sie abgeschnitten. Darauf %S.68 verwie"s sie Rapunzel in eine W"ustenei, wo es ihr sehr k"ummerlich %S.68 erging und sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen %S.69 Knaben und ein M"adchen gebar. %S.69 Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel versto"sen hatte, machte %S.69 die Zauberin Abends die abgeschnittenen Haare oben am Haken %S.69 fest, und als der K"onigs"|sohn kam: %S.69 \begin{verse} Rapunzel, Rapunzel, \\ %S.69 la"s dein Haar herunter! %S.69 \end{verse} so lie"s sie zwar die Haare nieder, allein wie erstaunte er, als er %S.69 statt seines geliebten Rapunzels die Zauberin fand. {\oq}Wei"st du %S.69 was, sprach die erz"urnte Zauberin, Rapunzel ist f"ur dich B"osewicht %S.69 auf immer verloren!{\cq} %S.69 Da wurde der K"onigs"|sohn ganz verzweifelnd und st"urzte sich %S.69 gleich den Thurm hinab; das Leben brachte er davon, aber die %S.69 beiden Augen hatte er sich aus"|gefallen. Traurig irrte er im Wald %S.69 umher, a"s nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als %S.69 weinen. Einige Jahre nachher gerieth er in jene W"ustenei, wo %S.69 Rapunzel k"ummerlich mit ihren Kindern lebte; ihre Stimme %S.69 d"auchte ihm so bekannt, und in demselben Augenblick erkannte sie %S.69 ihn auch und fiel ihm um den Hals. Zwei von ihren Thr"anen %S.69 aber fielen in seine Augen, da wurden sie wieder klar und er %S.69 konnte damit sehen, wie sonst. %S.69 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 66, Zeile 12 %% [falsch] %% elend wurde. Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursach; %S.66 %% [richtig] %% elend wurde. Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursach. %S.66 %% %% Seite 66, Zeile 15 %% [falsch] %% sie gar lieb hatte, dachte, es mag kosten was es will, so willst %S.66 %% [richtig] %% sie gar lieb hatte, dachte, {\oq}es mag kosten was es will, so willst %S.66 %% %% Seite 66, Zeile 16 %% [falsch] %% du ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends "uber die hohe Mauer %S.66 %% [richtig] %% du ihr doch welche schaffen{\cq}, stieg eines Abends "uber die hohe Mauer %S.66 %% %% Seite 68, Zeile 9 %% [falsch] %% Rapunzel, Rapunzel, \\ %S.68 %% [richtig] %% {\oq}Rapunzel, Rapunzel, \\ %S.68 %% %% Seite 68, Zeile 10 %% [falsch] %% la"s dein Haar herunter! %S.68 %% [richtig] %% la"s dein Haar herunter!{\cq} %S.68 %% %% Seite 68, Zeile 18 %% [falsch] %% das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: sag' sie mir doch Frau Gothel, %S.68 %% [richtig] %% das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: {\oq}sag' sie mir doch Frau Gothel, %S.68 %% %% Seite 68, Zeile 20 %% [falsch] %% Ach du gottloses Kind, sprach die Zauberin, was mu"s ich %S.68 %% [richtig] %% -- {\oq}Ach du gottloses Kind{\cq}, sprach die Zauberin, {\oq}was mu"s ich %S.68 %% %% Seite 68, Zeile 21 %% [falsch] %% von dir h"oren, und sie merkte gleich, da"s sie betrogen w"are, und %S.68 %% [richtig] %% von dir h"oren{\cq}, und sie merkte gleich, da"s sie betrogen w"are, und %S.68 %% %% Seite 69, Zeile 6 %% [falsch] %% Rapunzel, Rapunzel, %S.69 %% [richtig] %% {\oq}Rapunzel, Rapunzel, %S.69 %% %% Seite 69, Zeile 7 %% [falsch] %% la"s dein Haar herunter! %S.69 %% [richtig] %% la"s dein Haar herunter!{\cq} %S.69 %% %% Seite 69, Zeile 10 %% [falsch] %% was, sprach die erz"urnte Zauberin, Rapunzel ist f"ur dich B"osewicht %S.69 %% [richtig] %% was{\cq}, sprach die erz"urnte Zauberin, {\oq}Rapunzel ist f"ur dich B"osewicht %S.69