% @book{bg_khm_1819-1, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {E}rster {B}and. {M}it zwei {K}upfern. % {Z}weite vermehrte und verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1819", % volume = "1", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Tokunaga am 13. Dezember 2002 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 04. Januar 2003 % \maerchentitel{Fitchers Vogel} % 46. %S.224 % Fitchers Vogel. %S.224 Es war einmal ein Hexenmeister, der nahm die Gestalt eines %S.224 armen Mannes an, ging vor die H"auser und bettelte und %S.224 fing die sch"onen M"adchen. Kein Mensch wu"ste, wo er sie hinbrachte, %S.224 denn sie kamen nimmermehr wieder zum Vorschein. Nun %S.224 trat er auch einmal vor die Th"ure eines Mannes, der drei sch"one %S.224 T"ochter hatte, als ein armer, schwacher Bettler, und trug eine %S.224 K"otze auf dem R"ucken, als wollte er die milden Gaben darin %S.224 sammeln. Er bat um ein bischen Essen, und als die "alteste herauskam, %S.224 und ihm ein St"uck Brot reichen wollte, r"uhrte er sie nur %S.224 an, und alsbald mu"ste sie in seine K"otze springen. Dann trug %S.224 er sie mit starken Schritten fort, und durch einen Wald hindurch %S.224 % in %S.224 in sein Haus, wo alles pr"achtig war. Da gab er ihr, was sie %S.225 nur w"unschte und sprach: {\oq}es wird dir wohlgefallen bei mir, %S.225 denn du hast alles, was dein Herz begehrt.{\cq} Das dauerte ein %S.225 paar Tage, da sagte er: {\oq}ich mu"s fortreisen und dich eine kurze %S.225 Zeit allein lassen, da sind die Hausschl"ussel, du kannst "uberall %S.225 herumgehen und alles sehen, nur nicht in eine Stube, die dieser %S.225 kleine Schl"ussel aufschlie"st, das verbiet ich dir bei Lebensstrafe; %S.225 da hast du auch ein Ei, das verwahre mir sorgf"altig und trag es %S.225 lieber best"andig bei dir, denn wenn es verloren ging, w"ar's ein %S.225 gro"ses Ungl"uck.{\cq} Sie nahm die Schl"ussel und das Ei und versprach, %S.225 alles wohl auszurichten. Als er aber fort war, konnte %S.225 sie der Neugierde nicht widerstehen und nachdem sie das ganze %S.225 Haus gesehen, ging sie auch zu der verbotenen Th"ure und "offnete %S.225 sie. Wie erschrak sie aber als sie hineintrat: da stand in der %S.225 Mitte ein gro"ses, blutiges Becken, und darin lagen todte, zerhauene %S.225 Menschen. Sie erschrak so sehr, da"s das Ei, das sie in %S.225 Hand hielt, hineinplumpte. Zwar holte sie es geschwind wieder %S.225 heraus und wischte das Blut ab, aber es half nichts, denn es %S.225 kam den Augenblick wieder zum Vorschein: sie wischte und schabte, %S.225 aber sie konnte es nicht herunter kriegen. Nicht lange, so kam %S.225 der Mann von der Reise zur"uck und sprach: {\oq}nun gieb mir %S.225 die Schl"ussel und das Ei wieder.{\cq} Sie reichte es ihm mit Zittern %S.225 hin, er sah beides an und sah, da"s sie in der Blutkammer %S.225 gewesen war. Da sprach er: {\oq}bist du gegen meinen Willen in %S.225 der Kammer gewesen, so sollst du nun gegen deinen wieder hinein. %S.225 Dein Leben ist zu Ende.{\cq} Darauf ergriff er sie, f"uhrte sie %S.225 % Kinderm"archen I. P %S.225 hinein, zerhackte sie, da"s ihr rothes Blut auf der Erde flo"s und %S.226 warf sie zu den "ubrigen ins Becken. %S.226 {\oq}Jetzt will ich mir die zweite holen,{\cq} sprach der Hexenmeister, %S.226 ging wieder in Gestalt eines armen Mannes vor das Haus %S.226 und bettelte. Da brachte ihm die zweite ein St"uck Brot und er %S.226 fing sie wie die erste durch ein blo"ses Anr"uhren, trug sie hinaus %S.226 und mordete sie in der Blutkammer, weil sie hineingeschaut hatte. %S.226 Da ging er, die dritte Schwester noch zu fangen und brachte sie %S.226 auch hinaus. Die dritte aber war klug und listig; als er ihr nun %S.226 die Schl"ussel und das Ei gegeben hatte und fortgereist war, hob %S.226 sie das Ei erst auf und verschlo"s es und ging dann in die verbotene %S.226 Kammer. Ach, was sah sie! ihre beiden lieben Schwestern %S.226 j"ammerlich ermordet in dem Becken liegen. Aber sie hub an und %S.226 suchte ihre Glieder zusammen und legte sie zurecht, Kopf, Leib, %S.226 Arm und Beine. Und als nichts mehr fehlte, da fingen die Glieder %S.226 an sich zu regen und schlossen sich an einander und beide M"adchen %S.226 "offneten die Augen und wurden wieder lebendig. Da freuten %S.226 sie sich, k"u"sten und herzten einander, aber die j"ungste f"uhrte sie %S.226 heraus und versteckte sie. Als der Mann zur"uckkam, forderte er %S.226 die Schl"ussel und das Ei und als er an diesem keine Spur von %S.226 Blut entdecken konnte, sprach er: {\oq}du hast die Probe bestanden, %S.226 du sollst meine Braut seyn.{\cq} {\oq}Ja, antwortete sie, aber du %S.226 mu"st mir versprechen, vorher einen Korb voll Gold meinem Vater %S.226 und meiner Mutter auf deinem R"ucken hinzutragen, derweil %S.226 will ich die Hochzeit bestellen.{\cq} Darauf ging sie in ihr K"ammerlein, %S.226 wo sie ihre Schwestern versteckt hatte und sprach: {\oq}ja, %S.226 will ich euch erretten, aber sobald ihr nach Haus kommt, bestellt %S.227 mir Hilfe.{\cq} Dann setzte sie beide in einen Korb und deckte sie %S.227 mit Gold ganz zu, da"s nichts von ihnen zu sehen war und rief %S.227 den Hexenmeister herein und sprach: {\oq}nun trag den Korb fort, %S.227 aber da"s du unterwegs nicht stehen bleibst und ruhen willst! ich %S.227 schaue hier durch mein Fensterlein und habe Acht.{\cq} %S.227 Nun hob der Hexenmeister den Korb auf seinen R"ucken und %S.227 ging mit fort, er wurde ihm aber so schwer, da"s ihm der Schwei"s %S.227 "uber das Angesicht lief und er glaubte, todt gedr"uckt zu werden. %S.227 Da wollt' er sich ein wenig ruhen, aber gleich rief eine im Korb: %S.227 {\oq}ich schaue durch mein Fensterlein, da"s du ruhst, willst du gleich %S.227 weiter!{\cq} Er meinte, die Braut rief ihm das zu und machte sich %S.227 wieder auf. Hernach wollte er sich wieder setzen, aber es rief %S.227 gleich: {\oq}ich schaue durch mein Fensterlein, da"s du ruhst, willst du %S.227 gleich weiter!{\cq} Und so oft er stillstand, rief es, und da mu"ste %S.227 er fort und brachte au"ser Athem den Korb mit dem Gold und %S.227 den beiden M"adchen in ihrer Eltern Haus. %S.227 Daheim aber ordnete die Braut das Hochzeitfest an. Sie %S.227 nahm einen Todtenkopf mit grinsenden Z"ahnen und setzte ihm einen %S.227 Schmuck auf und trug ihn oben vors Bodenloch und lie"s ihn %S.227 da herausschauen. Dann lud sie die Freunde des Hexenmeisters %S.227 zum Fest ein, und wie das geschehen war, steckte sie sich in ein %S.227 Fa"s mit Honig, schnitt das Bett auf und w"alzte sich darin, da"s %S.227 sie aussah, wie ein wunderlicher Vogel und kein Mensch sie erkennen %S.227 konnte. Da ging sie zum Haus hinaus und unterwegs begegnete %S.227 ihr ein Theil der Hochzeitg"aste, die fragten: %S.227 % P 2 %S.227 \begin{verse} {\oq}Du Fitchers-Vogel, wo kommst du her?{\cq} \\ %S.228 \response {\oq}Ich komme von Fitze Fitchers Hause her.{\cq} \\ %S.228 {\oq}Was macht denn da die junge Braut?{\cq} \\ %S.228 \response {\oq}Hat gekehrt von unten bis oben das Haus, \\ %S.228 \response Und guckt zum Bodenloch heraus.{\cq} %S.228 \end{verse} Darauf begegnete ihr der Br"autigam, der zur"uckkam, der fragte %S.228 auch: %S.228 \begin{verse} {\oq}Du Fitchers-Vogel, wo kommst du her?{\cq} \\ %S.228 \response {\oq}Ich komme von Fitze Fitchers Hause her.{\cq} \\ %S.228 {\oq}Was macht denn da meine junge Braut?{\cq} \\ %S.228 \response {\oq}Hat gekehrt von unten bis oben das Haus \\ %S.228 \response Und guckt zum Bodenloch heraus.{\cq} %S.228 \end{verse} Der Br"autigam schaute hinauf und sah den geputzten Todtenkopf, %S.228 da meinte er, es w"are seine Braut und nickte ihr zu und gr"u"ste %S.228 sie freundlich. Wie er aber sammt seinen G"asten ins Haus gegangen %S.228 war, da kam die Hilfe von den Schwestern an und sie %S.228 schlossen alle Th"uren des Hauses zu, da"s niemand entfliehen %S.228 konnte und steckten es an, also da"s der Hexenmeister mit seinem %S.228 ganzen Gesindel verbrennen mu"ste. %S.228 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 225, Zeile 16 %% [falsch] %% Menschen. Sie erschrak so sehr, da"s das Ei, das sie in %S.225 %% [richtig] %% Menschen. Sie erschrak so sehr, da"s das Ei, das sie in der %S.225 %% %% Seite 226, Zeile 3 %% [falsch] %% {\oq}Jetzt will ich mir die zweite holen,{\cq} sprach der Hexenmeister, %S.226 %% [richtig] %% {\oq}Jetzt will ich mir die zweite holen{\cq}, sprach der Hexenmeister, %S.226 %% %% Seite 226, Zeile 22 %% [falsch] %% du sollst meine Braut seyn.{\cq} {\oq}Ja, antwortete sie, aber du %S.226 %% [richtig] %% du sollst meine Braut seyn.{\cq} -- {\oq}Ja{\cq}, antwortete sie, {\oq}aber du %S.226