% @book{bg_khm_1819-1, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {E}rster {B}and. {M}it zwei {K}upfern. % {Z}weite vermehrte und verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1819", % volume = "1", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Tokunaga am 14. Dezember 2002 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 04. Januar 2003 % %%% Besonderheiten f"ur den Fraktursatz: %% "| zur Vermeidung von Ligaturen; %% (Eingabe: e.g. auf"|fressen und Hof"|leute %% statt auffressen und Hofleute) %% "| auch f"ur das sogenannte runde s -- oder Schluss s -- im %% Kompositum (ansonsten wird dieses durch LaTeX -- und khm.sty -- %% von dem langen s richtig unterschieden und gesetzt); %% (Eingabe: e.g. Aus"|gang statt Ausgang) %% {} f"ur das runde s au"ser Komposita; %% (Eingabe: e.g. s{}' statt s') %% {\ck} f"ur ,,ck``, das bei der Silbentrennung am Zeilenende %% in die Form ,,k-k`` umgewandelt werden soll. % % Der erste M"archentext in jedem Band (i.e. ,,Der Froschk"onig % oder der eiserne Heinrich`` und ,,Der Arme und der Reiche``) % und der erste Kinderlegendentext (i.e. ,,Der heilige Joseph % im Walde``) sind mit einem Versalsatz geschm"uckt im Orginal. % Bei all den anderen Texten ist jede erste Zeile einger"uckt. % \maerchentitel{Die sechs Schw"ane} % 49. %S.243 % Die sechs Schw"ane. %S.243 Es jagte einmal ein K"onig in einem gro"sen Wald und jagte %S.243 einem Wild so eifrig nach, da"s niemand von seinen Leuten ihm %S.243 nachfolgen konnte, zuletzt verirrte er sich und fand keinen Aus"|gang. %S.243 Da sah er etwas auf sich zukommen, das ging wie eine %S.243 alte Frau geb"uckt und mit wa{\ck}elndem Kopf und war eine Hexe. %S.243 Der K"onig redete sie an und sprach: {\oq}zeigt mir doch den Weg %S.243 durch den Wald.{\cq} {\oq}O ja, Herr K"onig, antwortete sie, wenn %S.243 ihr meine Tochter heirathen und zur Frau K"onigin machen wollt, %S.243 dann solls geschehen, sonst aber nicht und ihr m"u"st hier bleiben %S.243 und Hungers sterben, denn ihr kommt nimmermehr ohne mich aus %S.243 dem Wald.{\cq} Der K"onig, dem sein Leben lieb war, sagte in der %S.243 Angst ja und darauf f"uhrte ihn die Alte zu dem M"adchen. Es %S.243 % Q 2 %S.243 war sehr sch"on, aber der K"onig hatte es doch nicht lieb und konnte %S.244 es nicht ohne heimliches Grausen ansehen. Die Hexe brachte sie %S.244 beide auf den Weg nach des K"oniges Schlo"s und als sie da angelangt %S.244 waren, mu"ste er Wort halten und sie zu seiner Gemahlin %S.244 nehmen. %S.244 Der K"onig aber war schon einmal verheirathet gewesen und %S.244 hatte von der ersten Frau sechs Buben und ein M"adchen und liebte %S.244 die Kinder "uber alles auf der Welt. Weil er nun f"urchtete, die %S.244 Stiefmutter k"onnte ihnen ein Leid anthun, so brachte er sie in %S.244 ein einsames Schlo"s, das mitten in einem Walde stand. Der %S.244 Weg dahin war so schwer zu finden, da"s er ihn selbst nicht gefunden %S.244 h"atte, wenn ihm nicht von einer weisen Frau ein Kn"auel %S.244 Garn w"are geschenkt worden, das sich, wenn er es vor sich hin %S.244 auf die Erde warf, von selbst los"|wi{\ck}elte und ihm den Weg zeigte. %S.244 Der K"onig ging oft hinaus zu seinen lieben Kindern, da"s es endlich %S.244 die K"onigin merkte, neugierig ward und wissen wollte, was %S.244 er so oft allein in dem Wald zu schaffen habe. Nun gewann sie %S.244 die Diener und diese verriethen ihr das Geheimni"s. Das erste, %S.244 was sie that, war, da"s sie sich durch List das Kn"auel verschaffte %S.244 und als sie es hatte, machte sie sieben kleine Hemdchen und ging %S.244 damit hinaus. Das Kn"auel zeigte ihr den Weg und als die sechs %S.244 Knaben jemand kommen sahen, meinten sie, es w"are ihr Vater %S.244 und sprangen voll Freude heran. Da warf sie "uber jeden eins %S.244 von den Hemdchen und als"|bald, wie das ihren Leib ber"uhrt hatte, %S.244 verwandelten sie sich in Schw"ane, stiegen auf in die Luft und flogen %S.244 davon. Sie glaubte nun der Stiefkinder los zu seyn, weil %S.244 das M"adchen nicht mitgelaufen war und sie nichts von ihm wu"ste, %S.245 und ging wieder heim. Andern Tags kam der K"onig, da fand %S.245 er niemand, als das M"adchen, das erz"ahlte ihm, da"s es aus %S.245 seinem Fensterlein gesehen, wie seine lieben Br"uder als Schw"ane %S.245 fortgeflogen w"aren und zeigte ihm die Federn, die sie in den Hof %S.245 hatten fallen lassen und die es aufgelesen. Der K"onig trauerte, %S.245 dachte aber nicht, da"s die K"onigin die b"ose That vollbracht h"atte %S.245 und weil er f"urchtete, das M"adchen w"urde ihm auch geraubt, %S.245 wollte er es mit fort nehmen. Aber es hatte Angst vor der Stiefmutter %S.245 und bat, da"s es nur noch diese Nacht im Waldschlo"s bleiben d"urfte. %S.245 Als aber die Nacht kam, da entfloh es und ging geradezu in %S.245 den Wald hinein. Es ging die ganze Nacht und auch den andern %S.245 Tag in einem fort, bis es vor M"udigkeit nicht weiter konnte. %S.245 Da sah es eine Wildh"utte, stieg hinauf und fand eine Stube mit %S.245 sechs kleinen Betten, aber es getraute nicht, sich in eins hinein %S.245 zu legen, sondern legte sich unter eins auf die Erde und wollte %S.245 die Nacht da zubringen. Als aber die Sonne bald untergehen %S.245 wollte, h"orte es ein Rauschen und sah, da"s sechs Schw"ane zum %S.245 Fenster herein geflogen kamen. Sie setzten sich auf den Boden %S.245 und bliesen einander an und bliesen sich alle Federn ab, und da %S.245 streifte sich ihre Schwanenhaut herunter wie ein Hemd. Da sah %S.245 sie das M"adchen an und sah, da"s es ihre Br"uder waren, freute %S.245 sich und kroch unter dem Bett hervor. Die Br"uder, als sie ihr %S.245 Schwesterchen erblickten, freuten sich auch, waren aber zugleich %S.245 traurig und sprachen: {\oq}hier kann deines Bleibens nicht seyn, das %S.245 ist eine Herberg f"ur R"auber, die vom Raub heimkommen; wenn %S.246 sie dich f"anden, w"urden sie dich ermorden.{\cq} Da sprach sie: %S.246 {\oq}k"onnt ihr mich denn nicht sch"utzen?{\cq} {\oq}Nein, antworteten sie, %S.246 denn wir k"onnen nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere %S.246 Schwanenhaut uns abblasen und haben in der Zeit unsere menschliche %S.246 Gestalt, hernach werden wir wieder verwandelt.{\cq} {\oq}Kann %S.246 ich euch aber nicht erl"osen?{\cq} sprach das M"adchen. {\oq}Ach nein, %S.246 antworteten sie, das kannst du nicht, denn es ist zu schwer: sechs %S.246 Jahre lang darfst du nicht sprechen und nicht lachen, und mu"st in %S.246 der Zeit sechs Hemdlein aus Sternenblumen f"ur uns zusammenn"ahen, %S.246 sprichst du ein einziges Wort, so ist alle Arbeit verloren.{\cq} %S.246 Und als die Br"uder das gesprochen, war die Viertelstunde herum %S.246 und sie wurden wieder in Schw"ane verwandelt. %S.246 Das M"adchen aber sprach in seinem Herzen: {\oq}ich will meine %S.246 Br"uder erl"osen und sollt es mein Tod seyn.{\cq} Und am andern %S.246 Morgen sammelte es sich Sternblumen, setzte sich damit auf einen %S.246 hohen Baum und fing an zu n"ahen. Reden konnte es mit niemand %S.246 und lachen wollte es nicht, es sa"s da und sah nur auf seine %S.246 Arbeit. Als es schon lange Zeit da zugebracht, geschah es, da"s %S.246 einmal der K"onig dieses Landes in dem Wald jagte und seine J"ager %S.246 zu dem Baum kamen, auf welchem das M"adchen sa"s und %S.246 n"ahte. Sie riefen: {\oq}wer bist du? komm herab zu uns;{\cq} aber %S.246 es gab keine Antwort und sch"uttelte nur mit dem Kopf. Als sie %S.246 von neuem riefen, wollte es sie mit Geschenken befriedigen und %S.246 warf ihnen seine goldne Hals"|kette herab. Und weil sie nicht ablie"sen, %S.246 auch noch seinen G"urtel, als auch dies nichts half, seine %S.246 Strumpfb"ander, endlich alles, was es entbehren konnte, so da"s %S.247 es nichts mehr, als sein Hemdlein behielt. Die J"ager waren %S.247 aber damit nicht zufrieden, stiegen auf den Baum, hoben das %S.247 M"adchen herab und brachten es vor den K"onig. Der K"onig fragte %S.247 es auch: {\oq}wer bist du? und wie bist du dahin gekommen?{\cq} und %S.247 fragte es in allen Sprachen die er wu"ste. Aber es antwortete %S.247 nicht und blieb stumm wie ein Fisch; doch weil es so sch"on war, %S.247 da"s er meinte niemals jemand sch"oneres gesehen zu haben, ward %S.247 sein Herz ger"uhrt von gro"ser Liebe. Er wi{\ck}elte es in seinen %S.247 Mantel, nahm es vor sich aufs Pferd und brachte es in sein %S.247 Schlo"s. Da lie"s er ihm reiche Kleider anthun, da"s es strahlte, %S.247 wie der helle Tag, aber es war kein Wort aus ihm zu bringen. %S.247 Doch setzte er es bei Tisch an seine Seite und ward von seinen %S.247 Mienen und seiner Sittsamkeit so bewegt, da"s er sprach: {\oq}diese %S.247 begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,{\cq} und %S.247 verm"ahlte sich nach einigen Tagen mit ihr. %S.247 Nun hatte der K"onig eine b"ose Mutter, die war unzufrieden %S.247 mit dieser Heirath, sprach schlecht von der K"onigin und sagte: %S.247 {\oq}wer wei"s, wo die stumme Dirne her ist, die ist eines K"onigs %S.247 nicht w"urdig.{\cq} "Uber ein Jahr, als die K"onigin das erste Kind %S.247 zur Welt brachte, nahm es die Alte weg und bestrich ihr den %S.247 Mund mit Blut. Dann ging sie zum K"onig und klagte sie als %S.247 eine Menschenfresserin an. Der K"onig aber aus gro"ser Liebe %S.247 wollte es nicht glauben und litt nicht, da"s ihr ein Leid angethan %S.247 wurde. Sie aber sa"s best"andig und n"ahte an den Hemden und %S.247 achtete auf nichts anderes. Das n"achstemal, als die K"onigin wieder %S.247 einen sch"onen Knaben gebar, da "ubte die falsche Schwiegermutter %S.248 denselben Betrug aus, aber der K"onig konnte sich nicht %S.248 entschlie"sen, ihren Reden Glauben beizumessen und sprach: {\oq}sie %S.248 ist stumm und kann sich nicht vertheidigen, sonst w"urde ihre Unschuld %S.248 an den Tag kommen.{\cq} Als aber zum drittenmal die Alte %S.248 das neugeborne Kind raubte und die K"onigin anklagte, die kein %S.248 Wort zu ihrer Vertheidigung sprach, da konnte der K"onig die %S.248 Gesetze nicht l"anger abwenden und sie ward verurtheilt, durch %S.248 Feuer vom Leben zum Tod gebracht zu werden. %S.248 Als der Tag herankam, wo das Urtheil sollte vollzogen werden, %S.248 da war auch gerade der letzte Tag von den sechs Jahren, %S.248 in denen sie nicht sprechen und nicht lachen durfte, um ihre lieben %S.248 Br"uder aus des Zaubers Macht zu befreien. Die sechs Hemden %S.248 waren fertig geworden, nur da"s an dem letzten der linke "Armel %S.248 fehlte. Wie sie nun zum Scheiterhaufen gef"uhrt wurde, nahm %S.248 sie die sechs Hemden mit sich und als sie oben stand und das Feuer %S.248 eben sollte angez"undet werden, schaute sie aufw"arts und sah sechs %S.248 Schw"ane durch die Luft her ziehen. Da regte sich ihr Herz in %S.248 Freuden und sie sprach zu sich: {\oq}ach Gott, nun soll die schwere %S.248 Zeit herum seyn!{\cq} Die Schw"ane rauschten bald "uber ihr und %S.248 senkten sich herab, da"s sie die Hemden "uberwerfen konnte, und %S.248 wie sie davon ber"uhrt waren, fielen die Schwanenh"aute ab und %S.248 ihre Br"uder standen leibhaftig, frisch und sch"on vor ihr; nur dem %S.248 sechsten fehlte der linke Arm und er hatte daf"ur einen Schwanenfl"ugel %S.248 an dem R"u{\ck}en. Sie herzten sich und k"u"sten sich und die %S.248 K"onigin ging darauf zum K"onig, der ganz best"urzt war, und %S.248 sprach: {\oq}liebster Gemahl, nun ist mir die Sprache wiedergegeben, %S.249 ich bin unschuldig angeklagt worden{\cq} und erz"ahlte ihm, wie die %S.249 alte Schwiegermutter so sch"andlich sie verl"aumdet und da"s sie die %S.249 drei jungen S"ohne verborgen halte. Da wurden sie zu gro"ser %S.249 Freude des K"onigs herbeigeholt, die Alte aber wurde zur Strafe %S.249 auf den Scheiterhaufen gebunden und zu Asche verbrannt. Der %S.249 K"onig und die K"onigin mit ihren sechs Br"udern lebten lange Jahre %S.249 in Gl"uck und Frieden. %S.249 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 243, Zeile 17 %% [falsch] %% durch den Wald.{\cq} {\oq}O ja, Herr K"onig, antwortete sie, wenn %S.243 %% [richtig] %% durch den Wald.{\cq} -- {\oq}O ja, Herr K"onig{\cq}, antwortete sie, {\oq}wenn %S.243 %% %% Seite 246, Zeile 3 %% [falsch] %% {\oq}k"onnt ihr mich denn nicht sch"utzen?{\cq} {\oq}Nein, antworteten sie, %S.246 %% [richtig] %% {\oq}k"onnt ihr mich denn nicht sch"utzen?{\cq} -- {\oq}Nein{\cq}, antworteten sie, %S.246 %% %% Seite 246, Zeile 4 %% [falsch] %% denn wir k"onnen nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere %S.246 %% [richtig] %% {\oq}denn wir k"onnen nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere %S.246 %% %% Seite 246, Zeile 6 %% [falsch] %% Gestalt, hernach werden wir wieder verwandelt.{\cq} {\oq}Kann %S.246 %% [richtig] %% Gestalt, hernach werden wir wieder verwandelt.{\cq} -- {\oq}Kann %S.246 %% %% Seite 246, Zeile 7 %% [falsch] %% ich euch aber nicht erl"osen?{\cq} sprach das M"adchen. {\oq}Ach nein, %S.246 %% [richtig] %% ich euch aber nicht erl"osen?{\cq} sprach das M"adchen. {\oq}Ach nein{\cq}, %S.246 %% %% Seite 246, Zeile 8 %% [falsch] %% antworteten sie, das kannst du nicht, denn es ist zu schwer: sechs %S.246 %% [richtig] %% antworteten sie, {\oq}das kannst du nicht, denn es ist zu schwer: sechs %S.246 %% %% Seite 246, Zeile 22 %% [falsch] %% n"ahte. Sie riefen: {\oq}wer bist du? komm herab zu uns;{\cq} aber %S.246 %% [richtig] %% n"ahte. Sie riefen: {\oq}wer bist du? komm herab zu uns.{\cq} Aber %S.246 %% %% Seite 247, Zeile 15 %% [falsch] %% begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt,{\cq} und %S.247 %% [richtig] %% begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt{\cq}, und %S.247 %% %% Seite 249, Zeile 2 %% [falsch] %% ich bin unschuldig angeklagt worden{\cq} und erz"ahlte ihm, wie die %S.249 %% [richtig] %% ich bin unschuldig angeklagt worden{\cq}, und erz"ahlte ihm, wie die %S.249