% @book{bg_khm_1819-1, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {E}rster {B}and. {M}it zwei {K}upfern. % {Z}weite vermehrte und verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1819", % volume = "1", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Tokunaga am 17. Dezember 2002 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 07. Januar 2003 % \maerchentitel{Der Liebste Roland} % 56. %S.283 % Der Liebste Roland. %S.283 Es war einmal eine Frau, die war eine rechte Hexe und hatte %S.283 zwei T"ochter, eine die von ihr stammte und h"a"slich und b"os war, %S.283 und eine Stieftochter, die sch"on und gut war. Aber sie hatte %S.283 ihre Tochter doch viel lieber und ha"ste die andere, weil es eine %S.283 Stieftochter war. Es trug sich zu, da"s diese eine sch"one Sch"urze %S.283 hatte, die der andern gefiel, so da"s sie neidisch ward, zu ihrer %S.283 Mutter ging und sprach: {\oq}die Sch"urze mu"s mein werden.{\cq} %S.284 {\oq}Sey still, mein liebes Kind, sprach die Alte, du sollst sie auch %S.284 haben; deine Stiefschwester hat l"angst den Tod verdient, heute %S.284 Nacht, wann sie schl"aft, will ich kommen und ihr den Kopf abhauen; %S.284 leg dich nur hinten ins Bett und schieb sie recht vornen %S.284 hin.{\cq} Nun w"ar das gute M"adchen verloren gewesen, wenn es %S.284 nicht gerade in einer Ecke gestanden und alles mit angeh"ort h"atte. %S.284 Als Schlafenszeit kam, lie"s es die b"ose Schwester erst ins Bett %S.284 gehen, damit sie sich, wie sie wollte, hinten hin legen konnte; %S.284 aber als sie eingeschlafen war, da hub es sie auf und legte sie %S.284 vornen hin, ganz nah an den Rand und es legte sich hinten hin. %S.284 Da kam die Mutter in der Nacht geschlichen, in der rechten Hand %S.284 hatte sie eine Axt und mit der linken f"uhlte sie erst, ob auch jemand %S.284 vornen lag und dann fa"ste sie die Axt mit beiden H"anden, %S.284 hieb und hieb ihrem eigenen Kind den Kopf ab. %S.284 Als sie fortgegangen war, stand das M"adchen auf und lief %S.284 zu seinem Liebsten, der hie"s Roland, und klopfte an seine Th"ure, %S.284 da"s er heraus kam. Da sprach es: {\oq}h"ore, liebster Roland, wir %S.284 m"ussen eilig fort, die Stiefmutter hat mich todtschlagen wollen %S.284 und hat ihr eigenes Kind getroffen, kommt der Tag herbei und %S.284 sie sieht, was sie gethan hat, so sind wir verloren.{\cq} Roland %S.284 sprach: {\oq}erst m"ussen wir ihren Zauberstab wegnehmen, damit wir %S.284 uns retten k"onnen, wenn sie uns verfolgt.{\cq} Da holte das M"adchen %S.284 den Zauberstab und dann nahmen sie den todten Kopf und %S.284 tr"opfelten drei Blutstropfen auf die Erde, einen vors Bett und %S.284 einen in die K"uche und einen auf die Treppe. Darauf gingen sie %S.285 zusammen fort. %S.285 Als nun am Morgen die alte Hexe aufgestanden war, rief %S.285 sie ihre Tochter und wollte ihr die Sch"urze geben, aber sie kam %S.285 nicht. Da rief sie: {\oq}wo bist du?{\cq} {\oq}Ei, hier auf der Treppe, %S.285 da kehr' ich!{\cq} antwortete der eine Blutstropfen. Die Alte ging %S.285 hinaus, sah aber niemand auf der Treppe und rief wieder: {\oq}wo %S.285 bist du denn?{\cq} {\oq}Ei, hier in der K"uche beim Feuer, da w"arm %S.285 ich mich!{\cq} rief der zweite Blutstropfen. Die Alte ging in die %S.285 K"uche, aber sie fand niemand; da rief sie noch einmal: {\oq}wo bist %S.285 du?{\cq} {\oq}Ach! hier im Bett, da schlaf ich,{\cq} rief der dritte Blutstropfen. %S.285 Sie ging in die Kammer ans Bett; was mu"ste sie da %S.285 sehen? ihr eigenes Kind, das in seinem Blute schwamm und dem %S.285 sie selbst den Kopf abgehauen hatte. %S.285 Da gerieth sie in Wuth und sprang ans Fenster und sah hinaus %S.285 und weil sie weit in die Welt schauen konnte, sah sie ihre %S.285 Stieftochter mit ihrem Liebsten Roland forteilen. Ihr seyd schon %S.285 weit weg, rief sie, aber ihr sollt doch in meine H"ande fallen und %S.285 zog ihre Meilenstiefel an und kaum hatte sie damit ein paar %S.285 Schritte gemacht, so hatte sie auch die beiden eingeholt. Das %S.285 M"adchen aber, das wohl wu"ste, da"s die Hexe ihnen nachkam, %S.285 hatte durch den Zauberstab seinen Liebsten Roland in einen See, %S.285 sich selbst aber in eine Ente verwandelt, die schwamm mitten auf %S.285 dem See. Die Hexe stellte sich ans Ufer und gab sich alle M"uhe, %S.285 die Ente herbeizulocken und warf ihr Brotbrocken hin, aber die %S.285 Ente lie"s sich nicht locken und die Alte mu"ste Abends unverrichteter %S.285 Sache wieder heim. Darauf nahm das M"adchen mit seinem %S.286 Liebsten Roland wieder nat"urliche Gestalt an und sie gingen die %S.286 ganze Nacht weiter bis zu Tagesanbruch, da verwandelte sich %S.286 das M"adchen in eine sch"one Blume, die mitten in einer Dornhecke %S.286 stand, seinen Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler. Nicht %S.286 lange so kam die Hexe herangeschritten und sprach zu dem Spielmann: %S.286 {\oq}lieber Spielmann, darf ich mir wohl die sch"one Blume %S.286 abbrechen?{\cq} {\oq}O ja, antwortete er, ich will dazu aufspielen.{\cq} %S.286 Als sie nun mit Hast in die Hecke nach der Blume kroch, denn %S.286 sie wu"ste wohl, wer die Blume war, fing er an aufzuspielen und %S.286 sie mogte wollen oder nicht, sie mu"ste tanzen, denn das war ein %S.286 Zaubertanz. Und da er nicht aufh"orte zu spielen, mu"ste sie in %S.286 einem fort in der Hecke tanzen, da"s ihr die Dornen erst die Kleider %S.286 vom Leibe rissen und sie dann blutig und wund stachen, bis %S.286 sie endlich todt liegen blieb. %S.286 Als sie von der Hexe erl"ost waren, sprach Roland: {\oq}nun %S.286 will ich zu meinem Vater gehen und die Hochzeit bestellen.{\cq} %S.286 Sagte das M"adchen: {\oq}so will ich derweil hier bleiben und auf %S.286 dich warten, und damit mich niemand erkennt, will ich mich in %S.286 einen rothen Feldstein verwandeln.{\cq} Da ging Roland fort und %S.286 das M"adchen stand auf dem Feld als ein rother Stein und wartete %S.286 auf seinen Liebsten. Als aber Roland heim kam, da brachte es %S.286 eine andere dahin, da"s er das M"adchen verga"s, und als es nun %S.286 lang gestanden und er gar nicht kommen wollte, ward es ganz %S.286 traurig und verwandelte sich in eine Blume und dachte, es wird %S.286 ja einer wohl kommen und mich umtreten. %S.286 Es trug sich aber zu, da"s ein Sch"afer in dem Feld h"utete %S.287 und die Blume fand und weil sie gar zu sch"on war, nahm er sie %S.287 mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: {\oq}so sch"on %S.287 habe ich noch keine Blume gefunden.{\cq} Aber von der Zeit ging %S.287 es wunderlich in des Sch"afers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, %S.287 so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, %S.287 Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er %S.287 kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er %S.287 konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen %S.287 Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, %S.287 so ward ihm doch zuletzt angst, so da"s er zu einer weisen Frau %S.287 ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: {\oq}es ist %S.287 Zauberei dabei, gieb einmal Morgens fr"uh acht, ob sich etwas in %S.287 der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein %S.287 wei"ses Tuch dar"uber, dann wird der Zauber gehemmt.{\cq} Der %S.287 Sch"afer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, %S.287 da"s sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang %S.287 er schnell herbei und warf ein wei"ses Tuch dar"uber. Alsbald %S.287 war die Verwandelung vorbei und ein sch"ones M"adchen stand vor %S.287 ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. %S.287 Und weil es so sch"on war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, %S.287 aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland %S.287 treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus %S.287 zu halten. %S.287 Nun kam die Zeit heran, da"s Roland Hochzeit halten sollte, %S.287 da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten %S.287 alle M"adchen sich einfinden und zu Ehren des Brautpaars singen. %S.288 Das treue M"adchen, als es h"orte, da"s sein Liebster Roland mit %S.288 einer anderen Hochzeit machen sollte, ward so betr"ubt, da"s ihr %S.288 das Herz im Leibe zerspringen wollte und wollte nicht hingehen, %S.288 aber endlich mu"ste es doch. Wenn die Reihe kam, da"s es singen %S.288 sollte, so ging es zur"uck, bis zu allerletzt, da konnte es nicht anders. %S.288 Aber wie es anfing zu singen, da"s es Roland h"orte, sprang %S.288 er auf und rief: {\oq}das ist die rechte Braut und keine andere will %S.288 ich nicht!{\cq} denn er hatte sie gleich an der Stimme erkannt und %S.288 alles war wieder in sein Herz heimgekommen, was er vergessen %S.288 hatte. Da hielt das treue M"adchen Hochzeit mit seinem Liebsten %S.288 Roland und war sein Leid zu Ende und seine Freude fing an. %S.288 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 284, Zeile 2 %% [falsch] %% {\oq}Sey still, mein liebes Kind, sprach die Alte, du sollst sie auch %S.284 %% [richtig] %% -- {\oq}Sey still, mein liebes Kind{\cq}, sprach die Alte, {\oq}du sollst sie auch %S.284 %% %% Seite 285, Zeile 5 %% [falsch] %% nicht. Da rief sie: {\oq}wo bist du?{\cq} {\oq}Ei, hier auf der Treppe, %S.285 %% [richtig] %% nicht. Da rief sie: {\oq}wo bist du?{\cq} -- {\oq}Ei, hier auf der Treppe, %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 6 %% [falsch] %% da kehr' ich!{\cq} antwortete der eine Blutstropfen. Die Alte ging %S.285 %% [richtig] %% da kehr' ich!{\cq}, antwortete der eine Blutstropfen. Die Alte ging %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 8 %% [falsch] %% bist du denn?{\cq} {\oq}Ei, hier in der K"uche beim Feuer, da w"arm %S.285 %% [richtig] %% bist du denn?{\cq} -- {\oq}Ei, hier in der K"uche beim Feuer, da w"arm %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 9 %% [falsch] %% ich mich!{\cq} rief der zweite Blutstropfen. Die Alte ging in die %S.285 %% [richtig] %% ich mich!{\cq}, rief der zweite Blutstropfen. Die Alte ging in die %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 11 %% [falsch] %% du?{\cq} {\oq}Ach! hier im Bett, da schlaf ich,{\cq} rief der dritte Blutstropfen. %S.285 %% [richtig] %% du?{\cq} -- {\oq}Ach! hier im Bett, da schlaf ich{\cq}, rief der dritte Blutstropfen. %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 17 %% [falsch] %% Stieftochter mit ihrem Liebsten Roland forteilen. Ihr seyd schon %S.285 %% [richtig] %% Stieftochter mit ihrem Liebsten Roland forteilen. {\oq}Ihr seyd schon %S.285 %% %% Seite 285, Zeile 18 %% [falsch] %% weit weg, rief sie, aber ihr sollt doch in meine H"ande fallen und %S.285 %% [richtig] %% weit weg{\cq}, rief sie, {\oq}aber ihr sollt doch in meine H"ande fallen{\cq}, und %S.285 %% %% Seite 286, Zeile 8 %% [falsch] %% abbrechen?{\cq} {\oq}O ja, antwortete er, ich will dazu aufspielen.{\cq} %S.286 %% [richtig] %% abbrechen?{\cq} -- {\oq}O ja{\cq}, antwortete er, {\oq}ich will dazu aufspielen.{\cq} %S.286