% @book{bg_khm_1819-1, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {E}rster {B}and. {M}it zwei {K}upfern. % {Z}weite vermehrte und verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1819", % volume = "1", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von A. Tokunaga am 25. Dezember 2002 % und "uberpr"uft von Y. Nagata am 13. Januar 2003 % %%% Besonderheiten f"ur den Fraktursatz: %% "| zur Vermeidung von Ligaturen; %% (Eingabe: e.g. auf"|fressen und Hof"|leute %% statt auffressen und Hofleute) %% "| auch f"ur das sogenannte runde s -- oder Schluss s -- im %% Kompositum (ansonsten wird dieses durch LaTeX -- und khm.sty -- %% von dem langen s richtig unterschieden und gesetzt); %% (Eingabe: e.g. Aus"|gang statt Ausgang) %% {} f"ur das runde s au"ser Komposita; %% (Eingabe: e.g. s{}' statt s') %% {\ck} f"ur ,,ck``, das bei der Silbentrennung am Zeilenende %% in die Form ,,k-k`` umgewandelt werden soll. % % Der erste M"archentext in jedem Band (i.e. ,,Der Froschk"onig % oder der eiserne Heinrich`` und ,,Der Arme und der Reiche``) % und der erste Kinderlegendentext (i.e. ,,Der heilige Joseph % im Walde``) sind mit einem Versalsatz geschm"uckt im Orginal. % Bei all den anderen Texten ist jede erste Zeile einger"uckt. % \maerchentitel{Jorinde und Joringel} % 69. %S.371 % Jorinde und Joringel. %S.371 Es war einmal ein altes Schlo"s, mitten in einem gro"sen, %S.371 di{\ck}en Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das %S.371 war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder %S.371 zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie %S.371 ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die V"ogel herbei %S.371 % A a 2 %S.371 lo{\ck}en, und dann schlachtete sie's kochte und bratete es. Wenn %S.372 jemand auf hundert Schritte dem Schlo"s nahe kam, so mu"ste er %S.372 stille stehn und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie %S.372 ihn los"|sprach; wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis %S.372 kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie %S.372 dann in einen Korb ein, in die Kammern des Schlosses. Sie %S.372 hatte wohl sieben tausend solcher K"orbe mit so raren V"ogeln im %S.372 Schlosse. %S.372 Nun war einmal eine Jungfrau, die hie"s Jorinde; sie war %S.372 sch"oner als alle andere M"adchen, die, und dann ein gar sch"oner %S.372 J"ungling, Namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. %S.372 Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr gr"o"stes Vergn"ugen %S.372 eins am andern. Damit sie nun eins"|malen vertraut zusammen %S.372 reden k"onnten, gingen sie in den Wald spazieren. {\oq}H"ute %S.372 dich, sagte Joringel, da"s du nicht so nahe ans Schlo"s kommst!{\cq} %S.372 Es war ein sch"oner Abend, die Sonne schien zwischen den St"ammen %S.372 der B"aume hell ins dunkle Gr"un des Waldes, und die Turteltaube %S.372 sang kl"aglich auf den alten Maibuchen. %S.372 Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein und %S.372 klagte. Joringel klagte auch; sie waren so best"urzt, als wenn sie %S.372 h"atten sterben sollen; sie sahen sich um, waren irre, und wu"sten %S.372 nicht, wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die %S.372 Sonne "uber dem Berg, und halb war sie unter; Joringel sah %S.372 durchs Geb"usch, und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei %S.372 sich, er erschrak und wurde todtbang. Jorinde sang: %S.372 \begin{verse} {\oq}Mein V"oglein mit dem Ringlein roth \\ %S.373 \verseinsideindent Singt Leide, Leide, Leide; \\ %S.373 Es singt dem T"aublein seinen Tod, \\ %S.373 \verseinsideindent Singt Leide, Lei -- Zi{\ck}"uth! Zi{\ck}"uth! Zi{\ck}"uth!{\cq} %S.373 \end{verse} Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, %S.373 die sang Zi{\ck}"uth! Zi{\ck}"uth! Eine Nachteule mit gl"uhenden %S.373 Augen flog dreimal um sie herum, und schrie dreimal Schu %S.373 -- hu -- hu -- hu! Joringel konnte sich nicht regen; er stand %S.373 da wie ein Stein, konnte nicht weinen nicht reden, nicht Hand %S.373 noch Fu"s regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in %S.373 einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte, krumme Frau %S.373 aus diesem hervor, gelb und mager, gro"se rothe Augen, krumme %S.373 Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fing %S.373 die Nachtigall, und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte %S.373 nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war %S.373 fort, endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer %S.373 Stimme: {\oq}gr"u"s dich, Zachiel! wenns M"ondel ins K"orbel scheint, %S.373 bind los, Zachiel, zu guter Stund!{\cq} Da wurd Joringel los; %S.373 er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat, sie m"ochte ihm seine %S.373 Jorinde wieder geben; aber sie sagte, er solle sie nie wieder haben, %S.373 und ging fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles %S.373 umsonst. Uu! was soll mir geschehn? Joringel ging fort und %S.373 kam endlich in ein fremdes Dorf; da h"utete er die Schafe lange %S.373 Zeit. Oft ging er rund um das Schlo"s herum, aber nicht zu %S.373 nahe dabei; endlich tr"aumte er einmal des Nachts, er f"and eine %S.373 blutrothe Blume, in deren Mitte eine sch"one gro"se Perle war; %S.373 die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse; alles, was er %S.374 mit der Blume ber"uhrte, ward von der Zauberei frei; auch tr"aumte %S.374 er, er h"atte seine Jorinde dadurch wieder bekommen. Des Morgens, %S.374 als er erwachte, fing er an, durch Berg und Thal zu suchen, %S.374 ob er eine solche Blume f"ande; er suchte bis an den neunten %S.374 Tag, da fand er die blutrothe Blume am Morgen fr"uh. In der %S.374 Mitte war ein gro"ser Thautropfe, so gro"s wie die sch"onste Perle. %S.374 Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schlo"s. Wie er %S.374 auf hundert Schritt nahe zum Schlo"s kam, da ward er nicht fest, %S.374 sondern ging fort bis ans Thor. Joringel freute sich hoch, ber"uhrte %S.374 die Pforte mit der Blume, und sie sprang auf; er ging %S.374 hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vielen V"ogel vern"ahm. %S.374 Endlich h"orte er's; er ging und fand den Saal, darauf war die %S.374 Zauberin, und f"utterte die V"ogel in den sieben tausend K"orben. %S.374 Wie sie den Joringel sah, ward sie b"os, sehr b"os, schalt, spie %S.374 Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnt auf zwei Schritte %S.374 nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie, und ging, besah %S.374 die K"orbe mit den V"ogeln; da waren aber viele hundert %S.374 Nachtigallen; wie sollte er nun seine Jorinde wieder finden? Indem %S.374 er so zusah, merkte er, da"s die Alte heimlich ein K"orbchen %S.374 mit einem Vogel nimmt, und damit nach der Th"ure geht. Flugs %S.374 sprang er hinzu, ber"uhrte das K"orbchen mit der Blume, und auch %S.374 das alte Weib; nun konnte sie nichts mehr zaubern und Jorinde %S.374 stand da, hatte ihn um den Hals gefa"st, so sch"on, wie sie ehemals %S.374 war. Da macht er auch alle die andern V"ogel wieder zu %S.374 Jungfrauen, und da ging er mit seiner Jorinde nach Hause, und %S.375 sie lebten lange vergn"ugt zusammen. %S.375 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 371, Zeile 22 %% [falsch] %% ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die V"ogel herbei %S.371 %% [richtig] %% ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die V"ogel herbeilo{\ck}en, %S.371 %% %% Seite 372, Zeile 1 %% [falsch] %% lo{\ck}en, und dann schlachtete sie's kochte und bratete es. Wenn %S.372 %% [richtig] %% und dann schlachtete sie's, kochte und bratete es. Wenn %S.372 %% %% Seite 372, Zeile 15 %% [falsch] %% dich, sagte Joringel, da"s du nicht so nahe ans Schlo"s kommst!{\cq} %S.372 %% [richtig] %% dich{\cq}, sagte Joringel, {\oq}da"s du nicht so nahe ans Schlo"s kommst!{\cq} %S.372 %% %% Seite 373, Zeile 9 %% [falsch] %% da wie ein Stein, konnte nicht weinen nicht reden, nicht Hand %S.373 %% [richtig] %% da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand %S.373 %% %% Seite 373, Zeile 22 %% [falsch] %% umsonst. Uu! was soll mir geschehn? Joringel ging fort und %S.373 %% [richtig] %% umsonst. {\oq}Uu! was soll mir geschehn?{\cq}, Joringel ging fort und %S.373 %% %% Seite 374, Zeile 16 %% [falsch] %% Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnt auf zwei Schritte %S.374 %% [richtig] %% Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnte auf zwei Schritte %S.374