% @book{bg_khm_kl-ausg_1833, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {K}leine {A}usgabe. % {Z}weite verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1833", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata am 21. August 2012 % %%% Besonderheiten f"ur den Fraktursatz: %% "| zur Vermeidung von Ligaturen; %% (Eingabe: e.g. auf"|fressen und Hof"|leute %% statt auffressen und Hofleute) %% "| auch f"ur das sogenannte runde s -- oder Schluss s -- im %% Kompositum (ansonsten wird dieses durch LaTeX -- und khm.sty -- %% von dem langen s richtig unterschieden und gesetzt); %% (Eingabe: e.g. Aus"|gang statt Ausgang) %% {} f"ur das runde s au"ser Komposita; %% (Eingabe: e.g. s{}' statt s') %% {\ck} f"ur ,,ck``, das bei der Silbentrennung am Zeilenende %% in die Form ,,k-k`` umgewandelt werden soll. %% %% Jeder M"archentext ist mit einem Versalsatz geschm"uckt im Original. %% % \maerchentitel{Des Schneiders Daumerling Wanderschaft} % 21. %S.139 % Des Schneiders Daumerling Wanderschaft. %S.139 \lettrine[lines=1]{E}{in} Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen und %S.139 nicht gr"o"ser als ein Daumen, darum hie"s er der Daumerling. %S.139 Er hatte aber Courage im Leibe, und sagte zu seinem Vater %S.139 {\oqs}Vater, ich soll und mu"s in die Welt hinaus.{\cqs} {\oqs}Recht, mein %S.139 Sohn,{\cqs} sprach der Alte, nahm eine Stopfnadel, und machte %S.139 am Licht einen Knoten von Siegellack daran {\oqs}da hast du auch %S.139 einen Degen mit auf den Weg.{\cqs} Nun wollt das Schneiderlein %S.139 noch einmal mitessen, gieng in die K"uche um zu sehen, was %S.139 die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht h"atte. Es war aber %S.139 eben angerichtet, und die Sch"ussel stand auf dem Heerd. Da %S.139 sprach es {\oqs}nun, was giebts heute zu essen? {\oqs}Sieh selbst zu{\cqs} %S.139 sagte die Mutter. Da sprang Daumerling auf den Heerd, und %S.139 gu{\ck}te in die Sch"ussel: weil er aber den Hals zu weit hineinstre{\ck}te, %S.139 fa"ste ihn der Dampf von der Speise, und trieb ihn zum %S.139 Schornstein hinaus, bis er endlich wieder herabsank. So kam %S.139 das Schneiderlein in die Welt hinein, zog umher, und gieng %S.139 bei einem Meister in die Arbeit; da war ihm aber das Essen %S.139 nicht gut genug. {\oqs}Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser %S.139 Essen giebt, sagte der Daumerling, geh ich fort, und schreib %S.139 morgen fr"uh mit Kreide an ihre Haus"|th"ure Kartoffel zu viel, %S.140 Fleisch zu wenig, Adies, Herr Kartoffelk"onig.{\cqs} {\oqs}Was willst %S.140 du wohl, Gras"|h"upfer?{\cqs} sagte die Meisterin, ward b"os, ergriff %S.140 einen Lappen und wollte los schlagen: mein Schneiderlein aber %S.140 kroch behende unter den Fingerhut, gu{\ck}te unten hervor, und %S.140 stre{\ck}te der Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob schnell %S.140 den Fingerhut auf, und wollte ihn pa{\ck}en, aber der Daumerling %S.140 h"upfte in die Lappen, und wie die Meisterin die Lappen aus"|einander %S.140 warf und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz. %S.140 {\oqs}He, he, Frau Meisterin, rief er, und ste{\ck}te den Kopf in die %S.140 H"ohe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er in die Schublade %S.140 hinunter. Endlich aber erwischte sie ihn doch, und jagte %S.140 ihn zum Haus hinaus. %S.140 Das Schneiderlein wanderte und kam in einen gro"sen Wald, %S.140 da begegnete ihm ein Haufen R"auber, die hatten vor, des %S.140 K"onigs Schatz zu bestehlen. Als sie das Schneiderlein sahen, %S.140 dachten sie, so ein Instrument kann uns viel n"utzen. {\oqs}Heda, %S.140 rief einer, du Riese Goliath, willst du mit zur Schatzkammer %S.140 gehen? du kannst dich hineinschleichen und das Geld heraus"|werfen.{\cqs} %S.140 Der Daumling besann sich, endlich sagte er ja, und %S.140 gieng mit zu der Schatzkammer. Da besah er die Th"ure oben %S.140 und unten, ob kein Ritz darin w"are. Gl"ucklicherweise fand er %S.140 einen, und wollte gleich einsteigen, aber die eine Schildwache %S.140 sprach zur andern {\oqs}was kriegt da f"ur eine garstige Spinne? die %S.140 will ich todt treten.{\cqs} {\oqs}Ei, la"s das arme Thier gehen, sagte die %S.140 andere, es hat dir ja nichts gethan.{\cqs} Nun kam der Daumerling %S.140 durch den Ritz gl"ucklich in die Schatzkammer, machte das %S.141 Fenster, unter welchem die R"auber standen, auf, und warf %S.141 ihnen einen Thaler nach dem andern hinaus. Als das Schneiderlein %S.141 in der besten Arbeit war, h"orte es den K"onig kommen, der %S.141 seine Schatzkammer besehen wollte; und es mu"ste sich einstweilen %S.141 verkriegen. Der K"onig merkte, da"s viel harte Thaler fehlten, %S.141 konnte aber nicht begreifen, wer sie sollte gestohlen haben, %S.141 da die Schl"osser in gutem Stand waren, und alles wohl verwahrt %S.141 schien. Da gieng er wieder fort, und sprach zu den %S.141 zwei Wachen {\oqs}habt acht, es ist einer hinter dem Geld.{\cqs} Als %S.141 der Daumerling nun seine Arbeit von neuem anfieng, h"orten %S.141 sie das Geld drinnen sich regen und klingeln klipp, klapp, klipp, %S.141 klapp, sprangen geschwind hinein, und wollten den Dieb greifen. %S.141 Aber das Schneiderlein, das sie kommen h"orte, war noch geschwinder, %S.141 sprang in eine E{\ck}e, und de{\ck}te einen Thaler "uber %S.141 sich, so da"s nichts von ihm zu sehen war, ne{\ck}te die Wachen, %S.141 und rief {\oqs}hier bin ich.{\cqs} Die Wachen liefen dahin, wie sie aber %S.141 ankamen, war es schon in eine andere E{\ck}e unter einen Thaler %S.141 geh"upft, und rief {\oqs}he, hier bin ich.{\cqs} Die Wachen sprangen %S.141 eilends herbei, Daumerling war aber l"angst in einer dritten %S.141 E{\ck}e, und rief {\oqs}he, hier bin ich.{\cqs} Und so hatte es sie zu Narren, %S.141 und trieb sie so lange in der Schatzkammer herum, bis sie %S.141 m"ude waren, und davon giengen. Nun warf es die Thaler %S.141 nach und nach alle hinaus, und den letzten schnellte es mit aller %S.141 Macht, h"upfte dann selber noch behendiglich darauf, und flog %S.141 damit durchs Fenster hinab. Die R"auber machten ihm gro"se %S.141 Lobspr"uche {\oqs}du bist ein gewaltiger Held, sagten sie, willst du %S.142 unser Hauptmann werden?{\cqs} Daumerling bedankte sich aber %S.142 und sagte er wollte erst die Welt sehen. Sie theilten nun die %S.142 Beute, das Schneiderlein aber verlangte nur einen Kreuzer, %S.142 weil es nicht mehr tragen konnte. %S.142 Darauf schnallte es seinen Degen wieder um den Leib, sagte %S.142 den R"aubern guten Tag, und nahm den Weg zwischen die Beine. %S.142 Bei etlichen Meistern gieng es zwar in Arbeit, endlich aber, %S.142 weils mit dem Handwerk nicht recht fort wollte, verdingte es %S.142 sich als Haus"|knecht in einem Gasthof. Die M"agde aber konnten %S.142 es nicht leiden, denn ohne gesehen zu werden sah es alles, %S.142 was sie heimlich thaten, und gab bei der Herrschaft an was %S.142 sie sich von den Tellern weg genommen und aus dem Keller %S.142 f"ur sich mitgebracht hatten. Da sprachen sie {\oqs}wart, wir wollen %S.142 dirs eintr"anken,{\cqs} und verabredeten untereinander ihm einen Schabernack %S.142 anzuthun. Als die eine nun im Garten m"ahte, und den %S.142 Daumerling da herumspringen, und an den Kr"autern hinauf %S.142 und hinabkriechen sah, m"ahte sie ihn mit dem Gras schnell zusammen, %S.142 band alles in ein gro"ses Tuch, und warf es heimlich %S.142 den K"uhen vor. Nun war eine gro"se schwarze darunter, die %S.142 verschlu{\ck}te ihn mit, ohne ihm weh zu thun. Unten gefiels %S.142 ihm aber schlecht, denn es war ganz finster, und brannte da %S.142 kein Licht. Als die Kuh gemelkt wurde, da rief er %S.142 \begin{verse} {\oqs}strip, strap, stroll, \\ %S.142 ist der Eimer bald voll?{\cqs} %S.142 \end{verse} Doch bei dem Ger"ausch des Melkens wurde er nicht verstanden. %S.142 Hernach trat der Haus"|herr in den Stall und sprach {\oqs}morgen %S.143 soll die Kuh da geschlachtet werden.{\cqs} Da ward dem Daumerling %S.143 Angst, da"s er laut rief {\oqs}la"st mich erst heraus, ich sitze ja %S.143 drin.{\cqs} Der Herr h"orte ihn wohl, wu"ste aber nicht, wo die %S.143 Stimme herkam, und sprach {\oqs}wo bist du?{\cqs} {\oqs}In der %S.143 schwarzen,{\cqs} antwortete er, aber der Herr verstand nicht, was das hei"sen %S.143 sollte, und gieng fort. %S.143 Am andern Morgen wurde die Kuh geschlachtet; gl"ucklicherweise %S.143 traf bei dem Zerha{\ck}en und Zerlegen den Daumerling kein %S.143 Hieb, aber er gerieth unter das Wurstfleisch. Wie nun der %S.143 Metzger herbeitrat und seine Arbeit anfieng, schrie er aus Leibes"|kr"aften %S.143 {\oqs}hackt nicht zu tief, hackt nicht zu tief, ich ste{\ck}e ja %S.143 drunter.{\cqs} Vor dem L"armen der Hackmesser h"orte das kein Mensch. %S.143 Nun hatte der arme Daumerling seine Noth, aber die Noth %S.143 macht Beine, und da sprang er so behend zwischen den Hackmessern %S.143 durch, da"s ihn keins anr"uhrte, und er mit heiler Haut %S.143 davon kam. Aber entspringen konnte er auch nicht: es war keine %S.143 andre Aus"|kunft, er mu"ste sich mit den Speckbro{\ck}en in eine Blutwurst %S.143 hinunter stopfen lassen. Da war das Quartier etwas eng, %S.143 und dazu ward er noch in den Schornstein zum R"auchern aufgeh"angt, %S.143 wo ihm Zeit und Weile gewaltig lang wurde. Endlich %S.143 im Winter wurde er herunter geholt, weil die Wurst einem %S.143 Gast sollte vorgesetzt werden. Als nun die Frau Wirthin die %S.143 Wurst in Scheiben schnitt, nahm er sich in acht, da"s er den %S.143 Kopf nicht zu weit vorstre{\ck}te, damit ihm etwa der Hals nicht %S.143 mit abgeschnitten w"urde: endlich ersah er seinen Vortheil, machte %S.144 sich Luft und sprang heraus. %S.144 In dem Hause aber, wo es ihm so "ubel ergangen war, %S.144 wollte das Schneiderlein nicht l"anger mehr bleiben, sondern begab %S.144 sich gleich wieder auf die Wanderung. Doch, als es durch ein %S.144 Feld gieng, kam es einem Fuchs in den Weg, der schnappte es in %S.144 Gedanken auf. {\oqs}Ei, Herr Fuchs, riefs Schneiderlein, ich bins %S.144 ja, der in eurem Hals steckt, la"st mich wieder frei.{\cqs} {\oqs}Du hast %S.144 recht, antwortete der Fuchs, an dir hab ich doch so viel als nichts; %S.144 versprichst du mir die H"uhner in deines Vaters Hof, so will %S.144 ich dich los"|lassen.{\cqs} {\oqs}Von Herzen gern, antwortete der %S.144 Daumerling, die H"uhner sollst du alle haben, das gelobe ich dir.{\cqs} Da %S.144 lie"s ihn der Fuchs wieder los, und trug ihn selber heim. Als %S.144 der Vater sein S"ohnlein wieder sah, gab er dem Fuchs gerne %S.144 die H"uhner. {\oqs}Daf"ur bring ich dir auch ein sch"on St"uck Geld %S.144 mit,{\cqs} sprach der Daumerling zu seinem Vater, und reichte ihm %S.144 den Kreuzer, den er auf seiner Wanderschaft erworben hatte. %S.144 {\oqs}Warum hat aber der Fuchs die armen Pieph"uhner zu fressen %S.144 kriegt?{\cqs} {\oqs}Ei, du Narr, deinem Vater wird ja wohl sein %S.144 Kind lieber seyn, als die H"uhner auf dem Hof.{\cqs} %S.144 %\vspace{2\baselineskip} %\divisionbar %S.144 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 139, Zeile 11 %% [falsch] %% sprach es {\oqs}nun, was giebts heute zu essen? {\oqs}Sieh selbst zu{\cqs} %S.139 %% [richtig] %% sprach es {\oqs}nun, was giebts heute zu essen?{\cqs} {\oqs}Sieh selbst zu,{\cqs} %S.139 %% %% Seite 139, Zeile 19 %% [falsch] %% Essen giebt, sagte der Daumerling, geh ich fort, und schreib %S.139 %% [richtig] %% Essen giebt,{\cqs} sagte der Daumerling, {\oqs}geh ich fort, und schreib %S.139 %% %% Seite 140, Zeile 10 %% [falsch] %% {\oqs}He, he, Frau Meisterin, rief er, und ste{\ck}te den Kopf in die %S.140 %% [richtig] %% {\oqs}He, he, Frau Meisterin,{\cqs} rief er, und ste{\ck}te den Kopf in die %S.140 %% %% Seite 140, Zeile 17 %% [falsch] %% dachten sie, so ein Instrument kann uns viel n"utzen. {\oqs}Heda, %S.140 %% [richtig] %% dachten sie, so ein Instrument kann uns viel n"utzen. {\oqs}Heda,{\cqs} %S.140 %% %% Seite 140, Zeile 18 %% [falsch] %% rief einer, du Riese Goliath, willst du mit zur Schatzkammer %S.140 %% [richtig] %% rief einer, {\oqs}du Riese Goliath, willst du mit zur Schatzkammer %S.140 %% %% Seite 140, Zeile 25 %% [falsch] %% will ich todt treten.{\cqs} {\oqs}Ei, la"s das arme Thier gehen, sagte die %S.140 %% [richtig] %% will ich todt treten.{\cqs} {\oqs}Ei, la"s das arme Thier gehen,{\cqs} sagte die %S.140 %% %% Seite 140, Zeile 26 %% [falsch] %% andere, es hat dir ja nichts gethan.{\cqs} Nun kam der Daumerling %S.140 %% [richtig] %% andere, {\oqs}es hat dir ja nichts gethan.{\cqs} Nun kam der Daumerling %S.140 %% %% Seite 142, Zeile 1 %% [falsch] %% Lobspr"uche {\oqs}du bist ein gewaltiger Held, sagten sie, willst du %S.142 %% [richtig] %% Lobspr"uche {\oqs}du bist ein gewaltiger Held,{\cqs} sagten sie, {\oqs}willst du %S.142 %% %% Seite 144, Zeile 9 %% [falsch] %% recht, antwortete der Fuchs, an dir hab ich doch so viel als nichts; %S.144 %% [richtig] %% recht,{\cqs} antwortete der Fuchs, {\oqs}an dir hab ich doch so viel als nichts; %S.144 %% %% Seite 144, Zeile 11 %% [falsch] %% ich dich los"|lassen.{\cqs} {\oqs}Von Herzen gern, antwortete der %S.144 %% [richtig] %% ich dich los"|lassen.{\cqs} {\oqs}Von Herzen gern,{\cqs} antwortete der %S.144 %% %% Seite 144, Zeile 12 %% [falsch] %% Daumerling, die H"uhner sollst du alle haben, das gelobe ich dir.{\cqs} Da %S.144 %% [richtig] %% Daumerling, {\oqs}die H"uhner sollst du alle haben, das gelobe ich dir.{\cqs} Da %S.144 %%