% @book{bg_khm_kl-ausg_1833, % author = "Br{\"{u}}der Grimm", % title = "{K}inder- und {H}ausm{\"{a}}rchen. % {G}esammelt durch die {B}r{\"{u}}der {G}rimm. % {K}leine {A}usgabe. % {Z}weite verbesserte {A}uf{"|}lage", % publisher = "Gedruckt und verlegt bei G.\,Reimer", % address = "Berlin, Germany", % year = "1833", % language = "German", % } % % Originaltext f"ur das LaTeX-Quelldokument % bearbeitet und redigiert von Y. Nagata am 16. August 2012 % %%% Besonderheiten f"ur den Fraktursatz: %% "| zur Vermeidung von Ligaturen; %% (Eingabe: e.g. auf"|fressen und Hof"|leute %% statt auffressen und Hofleute) %% "| auch f"ur das sogenannte runde s -- oder Schluss s -- im %% Kompositum (ansonsten wird dieses durch LaTeX -- und khm.sty -- %% von dem langen s richtig unterschieden und gesetzt); %% (Eingabe: e.g. Aus"|gang statt Ausgang) %% {} f"ur das runde s au"ser Komposita; %% (Eingabe: e.g. s{}' statt s') %% {\ck} f"ur ,,ck``, das bei der Silbentrennung am Zeilenende %% in die Form ,,k-k`` umgewandelt werden soll. %% %% Jeder M"archentext ist mit einem Versalsatz geschm"uckt im Original. %% % \maerchentitel{K"onig Dro"selbart} % 26. %S.171 % K"onig Dro"selbart. %S.171 \lettrine[lines=1]{E}{in} K"onig hatte eine Tochter, die war wundersch"on, aber stolz %S.171 und "uberm"uthig so da"s ihr kein Freier gut genug war, und sie %S.171 einen nach dem andern abwies, und noch dazu Spott mit ihnen %S.171 trieb. Einmal lie"s der K"onig ein gro"ses Fest anstellen, und %S.171 lud dazu alle heiraths"|lustigen M"anner ein, die wurden in eine %S.171 Reihe, nach ihrem Rang und Stand geordnet; erst kamen die %S.171 K"onige, dann die Herz"oge, die F"ursten, Grafen und Freiherrn, %S.171 zuletzt die Edelleute. Nun wurde die K"onigs"|tochter durch die %S.171 Reihen gef"uhrt, aber an jedem hatte sie etwas aus"|zusetzen. Der %S.171 eine war ihr zu dick, {\oqs}das Weinfa"s!{\cqs} sprach sie. Der andere %S.171 zu lang, {\oqs}lang und schwank hat keinen Gang.{\cqs} Der dritte zu %S.171 kurz, {\oqs}kurz und dick hat kein Geschick.{\cqs} Der vierte zu bla"s, %S.171 {\oqs}der bleiche Tod!{\cqs} der f"unfte zu roth, {\oqs}der Zins"|hahn!{\cqs} der sechste %S.171 war nicht gerad genug, {\oqs}gr"unes Holz, hinterm Ofen getro{\ck}net!{\cqs} %S.171 Und so hatte sie an einem jeden etwas aus"|zusetzen, besonders %S.171 aber machte sie sich "uber einen guten K"onig lustig, der ganz %S.171 oben stand, und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen %S.171 war. {\oqs}Ei, rief sie und lachte, der hat ein Kinn, wie die %S.171 Dro"sel einen Schnabel;{\cqs} und seit der Zeit bekam er den Namen %S.171 \emph{Dro"selbart}. Der alte K"onig aber, als er sah, da"s seine %S.171 Tochter nichts that, als "uber die Leute spotten, und alle Freier %S.172 die da versammelt waren, verschm"ahte, ward er zornig und %S.172 schwur, sie sollte den ersten, besten Bettler zum Mann nehmen, %S.172 der vor seine Th"ure k"ame. %S.172 Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an unter dem %S.172 Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu erwerben. %S.172 Als es der K"onig h"orte, sprach er {\oqs}la"st ihn herauf kommen.{\cqs} %S.172 Da trat ein schmutziger Spielmann herein, sang vor dem K"onig %S.172 und seiner Tochter, und bat als er fertig war, um eine milde %S.172 Gabe. Der K"onig sprach {\oqs}dein Gesang hat mir so wohl gefallen, %S.172 da"s ich dir da meine Tochter zur Frau geben will.{\cqs} Die %S.172 K"onigs"|tochter erschrak, aber der K"onig sagte {\oqs}ich habe den Eid %S.172 gethan, dich dem ersten, besten Bettelmann zu geben, den will %S.172 ich auch halten.{\cqs} Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, %S.172 und sie mu"ste sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. %S.172 Als das geschehen war, sprach der K"onig {\oqs}nun schickt sichs %S.172 nicht weiter, da"s du in meinem Schlo"s bleibst, du kannst nur %S.172 mit deinem Manne fortziehen.{\cqs} %S.172 Der Bettelmann nahm sie mit hinaus, und sie kamen in %S.172 einen gro"sen Wald. Da fragte sie %S.172 \begin{verse} {\oqs}ach, wem geh"ort der sch"one Wald?{\cqs} \\ %S.172 {\oqs}Der geh"ort dem K"onig Dro"selbart; \\ %S.172 h"attst du'n genommen, so w"ar er dein.{\cqs} \\ %S.172 {\oqs}Ich arme Jungfer zart, \\ %S.172 ach, h"att ich genommen den K"onig Dro"selbart!{\cqs} %S.172 \end{verse} Darauf kamen sie "uber eine Wiese, da fragte sie wieder %S.172 \begin{verse} {\oqs}wem geh"ort die sch"one gr"une Wiese?{\cqs} \\ %S.173 {\oqs}Sie geh"ort dem K"onig Dro"selbart; \\ %S.173 h"attst du'n genommen, so w"ar sie dein.{\cqs} \\ %S.173 {\oqs}Ich arme Jungfer zart, \\ %S.173 ach, h"att ich genommen den K"onig Dro"selbart!{\cqs} %S.173 \end{verse} Dann kamen sie durch eine gro"se Stadt, da fragte sie wieder %S.173 \begin{verse} {\oqs}Wem geh"ort wohl die sch"one gro"se Stadt?{\cqs} \\ %S.173 {\oqs}Sie geh"ort dem K"onig Dro"selbart, \\ %S.173 h"attst du'n genommen, so w"ar sie dein.{\cqs} \\ %S.173 {\oqs}Ich arme Jungfer zart, \\ %S.173 ach, h"att ich genommen den K"onig Dro"selbart.{\cqs} %S.173 \end{verse} {\oqs}Es gef"allt mir gar nicht, sprach der Spielmann, da"s du %S.173 dir immer einen andern zum Mann w"unschest, bin ich dir nicht %S.173 gut genug?{\cqs} Endlich kamen sie an ein ganz kleines H"aus"|chen, %S.173 da sprach sie %S.173 \begin{verse} {\oqs}Ach, Gott, was f"ur ein H"auselein! \\ %S.173 wem mag das elende winzige H"aus"|chen seyn?{\cqs} %S.173 \end{verse} Der Spielmann antwortete {\oqs}das ist mein und dein Haus, wo %S.173 wir zusammen wohnen.{\cqs} {\oqs}Wo sind die Diener?{\cqs} sprach die K"onigstochter. %S.173 {\oqs}Was, Diener! antwortete der Bettelmann, du %S.173 mu"st dir selber thun, was du willst gethan haben. Mach nur %S.173 gleich Feuer an und stell Wasser auf, da"s du mir mein Essen %S.173 kochst; ich bin ganz m"ude.{\cqs} Die K"onigs"|tochter verstand aber %S.173 nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann %S.173 mu"ste selber mit Hand anlegen, da"s es noch so leidlich gieng. %S.173 Als sie die schmale Kost gegessen hatten, legten sie sich zu Bett, %S.173 aber am Morgen trieb er sie schon ganz fr"uh heraus, weil sie %S.174 das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese %S.174 Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrath auf. Da %S.174 sprach der Mann {\oqs}Frau, so gehts nicht l"anger, da"s wir hier %S.174 zehren und nichts verdienen. Du sollst K"orbe flechten.{\cqs} Er %S.174 gieng aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim: da fieng sie %S.174 an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten %S.174 H"ande wund. {\oqs}Ich sehe das geht nicht, sprach der Mann, %S.174 spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.{\cqs} Sie setzte sich hin %S.174 und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald %S.174 in die weichen Finger, da"s das Blut daran herunterlief. {\oqs}Siehst %S.174 du, sprach der Mann, du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin %S.174 ich schlimm angekommen. Nun will ichs versuchen, und einen %S.174 Handel mit T"opfen und irdenem Geschirr anfangen: du sollst %S.174 dich auf den Markt setzen und die Waare feil halten.{\cqs} {\oqs}Ach, %S.174 dachte sie, wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich %S.174 kommen, und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden %S.174 sie mich verspotten!{\cqs} Aber es half nichts, sie mu"ste sich f"ugen, %S.174 wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erstemal giengs %S.174 gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie so sch"on war, gern %S.174 ihre Waare ab, und bezahlten, was sie foderte: ja, viele gaben %S.174 ihr das Geld, und lie"sen ihr die T"opfe noch dazu. Nun %S.174 lebten sie von dem erworbenen so lang es dauerte, da handelte %S.174 der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein, und sie setzte %S.174 sich an eine E{\ck}e des Marktes, und stellte es um sich her, und %S.174 hielt feil. Da kam pl"otzlich ein trunkener Husar daher gejagt, %S.174 und ritt gerade zu in die T"opfe hinein, da"s alles in tausend %S.175 Scherben zersprang. Sie fieng an zu weinen, und wu"ste vor %S.175 Angst nicht was sie anfangen sollte. {\oqs}Ach, wie wird mirs ergehen! %S.175 rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!{\cqs} Sie lief %S.175 heim, und erz"ahlte ihm das Ungl"uck. {\oqs}Wer setzt sich auch an %S.175 die E{\ck}e des Marktes mit irdenem Geschirr! sprach der Mann, %S.175 la"s nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen %S.175 Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres K"onigs Schlo"s %S.175 gewesen, und habe gefragt, ob sie nicht eine K"uchenmagd brauchen %S.175 k"onnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich %S.175 dazu nehmen, daf"ur bekommst du freies Essen.{\cqs} %S.175 Nun ward die K"onigs"|tochter eine K"uchenmagd, mu"ste dem %S.175 Koch zur Hand gehen, und die sauerste Arbeit thun. Sie %S.175 machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein T"opfchen fest, %S.175 darin brachte sie was ihr von dem "ubrig gebliebenen zu Theil %S.175 ward nach Haus, und sie lebten zusammen davon. Es trug %S.175 sich zu, da"s die Hochzeit des "altesten K"onigs"|sohns sollte gefeiert %S.175 werden, da gieng die arme Frau hinauf, stellte sich vor die %S.175 Saalth"ure und sah zu. Als nun die Lichter angez"undet wurden, %S.175 und immer einer sch"oner als der andere hereintrat, und %S.175 alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betr"ubtem %S.175 Herzen an ihr Schicksal, und verw"unschte ihren Hochmuth %S.175 und "Ubermuth, der sie in diese Armuth gest"urzt hatte. %S.175 Von den k"ostlichen Speisen, die da ein und aus"|getragen wurden, %S.175 erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, %S.175 das that sie in ihre T"opfchen, und wollte es heim tragen. Auf %S.175 einmal trat der K"onigs"|sohn in goldenen Kleidern daher, und %S.176 als er die sch"one Frau in der Th"ure stehen sah, ergriff er sie %S.176 bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht %S.176 und erschrak, denn sie sah, da"s es der K"onig Dro"selbart war, %S.176 der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Als %S.176 sie sich str"aubte, zog er sie herein, da gieng das Band auf, %S.176 welches die Taschen hielt, und die T"opfe fielen heraus, da"s die %S.176 Suppe flo"s, und die Bro{\ck}en umher sprangen. Und wie das %S.176 die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gel"achter und Spotten, %S.176 und sie war so besch"amt, da"s sie sich lieber tausend Klafter %S.176 unter die Erde gew"unscht h"atte. Sie sprang zur Th"ure und wollte %S.176 entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und %S.176 brachte sie zur"uck: und wie sie ihn ansah, war es der K"onig %S.176 Dro"selbart selbst, der sprach ihr freundlich zu {\oqs}f"urchte dich nicht, %S.176 ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden H"aus"|chen %S.176 gewohnt hat, sind eins: dir zur Liebe habe ich mich so verstellt, %S.176 und der Husar, der dir die T"opfe entzwei geritten hat, bin ich %S.176 auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn %S.176 zu beugen, und dich f"ur deinen Hochmuth, womit du mich verspottet %S.176 hast, zu strafen. Nun aber ist's vor"uber, und jetzt soll %S.176 unser Hochzeitfest seyn.{\cqs} Da kamen die Kammerfrauen, und %S.176 thaten ihr die pr"achtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und %S.176 der ganze Hof, und w"unschten ihr Gl"uck zu ihrer Verm"ahlung %S.176 mit dem K"onig Dro"selbart, und die rechte Freude fieng jetzt %S.176 erst an. Ich wollte, du und ich, wir w"aren auch dabei gewesen. %S.176 %\divisionbar %S.176 %% %% ============================================================ %% Liste der im Originaltext enthaltenen zu korrigierenden %% W"orter, Interpunktions- und Anf"uhrungszeichen, usw. %% ============================================================ %% Seite 171, Zeile 18 %% [falsch] %% war. {\oqs}Ei, rief sie und lachte, der hat ein Kinn, wie die %S.171 %% [richtig] %% war. {\oqs}Ei,{\cqs} rief sie und lachte, {\oqs}der hat ein Kinn, wie die %S.171 %% %% Seite 173, Zeile 12 %% [falsch] %% {\oqs}Es gef"allt mir gar nicht, sprach der Spielmann, da"s du %S.173 %% [richtig] %% {\oqs}Es gef"allt mir gar nicht,{\cqs} sprach der Spielmann, {\oqs}da"s du %S.173 %% %% Seite 173, Zeile 20 %% [falsch] %% {\oqs}Was, Diener! antwortete der Bettelmann, du %S.173 %% [richtig] %% {\oqs}Was, Diener!{\cqs} antwortete der Bettelmann, {\oqs}du %S.173 %% %% Seite 174, Zeile 8 %% [falsch] %% H"ande wund. {\oqs}Ich sehe das geht nicht, sprach der Mann, %S.174 %% [richtig] %% H"ande wund. {\oqs}Ich sehe das geht nicht,{\cqs} sprach der Mann, %S.174 %% %% Seite 174, Zeile 9 %% [falsch] %% spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.{\cqs} Sie setzte sich hin %S.174 %% [richtig] %% {\oqs}spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.{\cqs} Sie setzte sich hin %S.174 %% %% Seite 174, Zeile 12 %% [falsch] %% du, sprach der Mann, du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin %S.174 %% [richtig] %% du,{\cqs} sprach der Mann, {\oqs}du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin %S.174 %% %% Seite 174, Zeile 15 %% [falsch] %% dich auf den Markt setzen und die Waare feil halten.{\cqs} {\oqs}Ach, %S.174 %% [richtig] %% dich auf den Markt setzen und die Waare feil halten.{\cqs} {\oqs}Ach,{\cqs} %S.174 %% %% Seite 174, Zeile 16 %% [falsch] %% dachte sie, wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich %S.174 %% [richtig] %% dachte sie, {\oqs}wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich %S.174 %% %% Seite 175, Zeile 3 %% [falsch] %% Angst nicht was sie anfangen sollte. {\oqs}Ach, wie wird mirs ergehen! %S.175 %% [richtig] %% Angst nicht was sie anfangen sollte. {\oqs}Ach, wie wird mirs ergehen!{\cqs} %S.175 %% %% Seite 175, Zeile 4 %% [falsch] %% rief sie, was wird mein Mann dazu sagen!{\cqs} Sie lief %S.175 %% [richtig] %% rief sie, {\oqs}was wird mein Mann dazu sagen!{\cqs} Sie lief %S.175 %% %% Seite 175, Zeile 6 %% [falsch] %% die E{\ck}e des Marktes mit irdenem Geschirr! sprach der Mann, %S.175 %% [richtig] %% die E{\ck}e des Marktes mit irdenem Geschirr!{\cqs} sprach der Mann, %S.175 %% %% Seite 175, Zeile 7 %% [falsch] %% la"s nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen %S.175 %% [richtig] %% {\oqs}la"s nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen %S.175 %%